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Philosophie (B.A.)

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Was ist Freiheit? Einige begriffliche Überlegungen

In der Philosophie sind Überlegungen zur Interpretation historischer Texte und der sogenannten Ideengeschichte letztlich nicht von begrifflichen oder den sogenannten systematischen Überlegungen zu trennen. Mit systematisch ist hier nicht gemeint, dass die Überlegungen einen überzeugenden Zusammenhang bilden sollen - das gilt auch für historische Forschung -, sondern systematische Forschungsinteressen sind Interessen, die unabhängig von einer bestimmten Epoche und ihrer Sprache bestehen. Beispielsweise Fragen wie: Was ist Glück, Gerechtigkeit oder ein gelingendes Leben? Was heißt es, dass wir uns Vernunft zuschreiben? Oder auch: Was ist Freiheit?

Systematische und historische Forschung gehen in der Philosophie Hand in Hand. Darin besteht eine große Herausforderung. Es sind die eigenen systematischen Interessen im Lichte gegenwärtiger und vergangener Stimmen zu beleuchten. Dafür braucht es aber auch begriffliche Intuitionen. In der Philosophie gilt: Historische Forschung ohne systematisches Interesse ist leer. Systematisches Interesse ohne historische Forschung ist blind.

Bei der folgenden Aufgabe geht es um mögliche begriffliche Intuitionen zum Begriff der Freiheit. Die Frage nach der Freiheit ist eine der zentralen Fragen der abendländischen Philosophie.

Aufgabenstellung

Welche Aspekte und erste Ideen fallen Dir ein, wenn Du Dir die Frage nach dem Begriff der Freiheit stellst? Gibt es Probleme, die ein überzeugendender Begriff von Freiheit zu lösen hätte? Kannst Du Dir überzeugende und weniger überzeugende Erläuterungen vorstellen?

Im Folgenden werden begriffliche Zusammenhänge aufgezeigt, die aber keineswegs Anspruch auf alleinige Richtigkeit haben. Es sind andere Verbindungen möglich. Es geht bei dieser Aufgabe eher um den beispielhaften Charakter.

Klickst Du auf die Titel, erscheinen Erläuterungen. Gehe sie einzeln durch und überlege, welche Intuitionen Dir einfallen, bevor Du den nächsten öffnest. Nimm Dir dafür etwas Zeit!

Wer frei ist, wer tun und lassen kann, was er oder sie will. Wer frei ist, unterliegt keinerlei Zwängen im Tun. Jeder Zwang ist eine auferlegte Beschränkung. Nur wenn es keine Beschränkungen gibt, denen ich in meinem Handeln unterliege, dann bin ich in meinem Handeln frei. Es sind viele Formen der Beschränkung denkbar. Wir unterliegen den Naturgesetzen, haben Triebe und natürliche Bedürfnisse. Es gibt soziale Regeln und Konventionen, denen wir folgen müssen. Es ist somit unklar, ob der Wille wirklich frei ist. Begrifflich wird unter Freiheit aber die Möglichkeit verstanden, dem eigenen Willen ohne Störung zu verwirklichen. Unter Freiheit wird die Abwesenheit von Beschränkung verstanden. Deshalb hat es sich eingebürgert, dieses Verständnis von Freiheit als negatives Freiheitsverständnis zu bezeichnen. Freiheit ist das Nicht-Sein von Zwang oder eben Beschränkung.

Dieses Verständnis von Freiheit genießt eine hohe Plausibilität. Freiheit hat nämlich viel damit zu tun, dass ein freier Mensch ohne fremde Anleitung und ohne Fremdbeschränkung selbständig handelt.

Das Problem ist nun aber, dass die Abwesenheit Beschränkung einen Zustand beschreibt, den kein Mensch wirklich erreichen kann. Wer Freiheit als die Abwesenheit von Beschränkung denkt, denkt Freiheit auf eine Art, die die Abwesenheit der Freiheit zur Folge hat. Wir unterliegen sozialem Zwang und Normen und sind als biologische Wesen von Gesetzen bestimmt. In der Diskussion um den freien Willen etwa ist mit der Neurobiologie eine Wissenschaft aufgetreten, die diesen Punkt mit Blick auf die Struktur des Gehirns artikuliert. Es sind unterbewusste Strukturen, die uns denken machen; keineswegs der freie Geist.

Dieser Schluss auf die Abwesenheit der Freiheit ist aus diesen Gründen weit verbreitet. Es gibt Philosophien, die dezidiert die Idee der Freiheit als abendländische Ideologie bezeichnen und ablehnen.

Es ist also eine offene und umstrittene Frage, ob es Freiheit wirklich gibt. Aus den Überlegungen, die wir oben angestellt haben, folgt aber, dass, wer an der Idee der Freiheit fest halten will, gut darin beraten ist, ein Verständnis von Freiheit zu entwickeln, das nicht die Abwesenheit von Beschränkung zum bestimmenden Merkmal der Freiheit erklärt. Wer Freiheit als philosophischen Kernbegriff versteht, sollte mit der Bedingt- und Beschränktheit des Menschen umgehen können.

Kehren wir an den Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück. Oben wurde gesagt, dass Freiheit darin bestünde, zu tun und zu lassen, was wir wollen. Das ist aus den genannten Gründen nicht sehr überzeugend. Was wäre mit der Idee unter Freiheit nicht die Abwesenheit von Beschränkung zu verstehen, sondern die Gestaltung und Veränderung der Beschränkungen? Wir sind stets bedingt und unterliegen Beschränkungen, sind aber zugleich zumindest dem Prinzip nach in der Lage, diese zu erkennen und zu verändern. Freiheit wäre demnach nicht die Abwesenheit von Beschränkung, sondern dessen Gestaltung.

Damit können weitere Überlegungen verbunden werden: Wenn die Veränderung von Beschränkungen als Freiheit zu denken sein soll, dann es ist naheliegend, diese Veränderung so zu denken, dass wir sie nur gemeinsam unternehmen können. Freiheit hat der Mensch, wenn man so sagen will, nicht allein. Ein möglicher Gegenbegriff zur negativen Freiheit wäre demnach gemeinschaftliche Freiheit. Nur wenn man davon ausgeht, dass der einzelne Mensch für sich frei ist, erscheinen die sozialen Normen als Beschränkung. Meint Freiheit aber hingegen etwas, das nur Mitgliedern einer Gemeinschaft zukommt, liegt in der gemeinsamen Gestaltung der Gemeinschaft die Möglichkeit der Freiheit. Wer Freiheit auf diese Art in den Blick nimmt, sieht auch, dass die menschliche Freiheit keine naturgegebene Größe ist, sondern einen unsicheren Charakter hat. Es gibt Formen von Gemeinschaft, die von Unfreiheit gezeichnet sind. Freiheit ist in diesem Bild eher eine Aufgabe statt einer Ausstattung.

Diese begrifflichen Überlegungen sind nur eine Art, über Freiheit nachzudenken. Es gibt andere. Das Faszinierende am Philosophieren ist die Vielfalt und das gemeinsame Nachdenken, das oft ein Streiten um angemessene begriffliche Verbindungen ist. Dieser Streit lässt einen im eigenen Denken entwickeln. Philosophie ist so verstanden eine Praxis der Freiheit.