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Mittellateinische Philologie als Nebenfach (Modulangebot)

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Warum Mittellatein?

"Finsteres" Mittelalter?

Die Mittellateinische Philologie ist eine vergleichsweise junge Wissenschaft, was vor allem an den zahllosen Vorurteilen über das Mittelalter liegt, die in der Renaissance- und Aufklärungszeit aus einem Abgrenzungsbedürfnis heraus eifrig gepflegt wurden und sich bis heute erhalten haben. Warum hätte man sich auch mit der Literatur einer Zeit auseinandersetzen sollen, in der vermeintlich alle kulturellen Errungenschaften der Antike in Vergessenheit geraten waren und nichts als Unbildung und Aberglaube herrschten?

 

 

 

Detail des Bleiglasfensters "Notre Dame de la Belle Verrière" (12. Jh.) in der Kathedrale von Chartres, Bildquelle: Wikimedia Commons — by MOSSOT (Own work) [CC BY-SA 3.0]
Im folgenden finden Sie eine Auswahl populärer Irrtümer über das Mittelalter und ein paar kurze Bemerkungen dazu.

Der Untergang des Römischen Reiches und die Völkerwanderung brachten tatsächlichen einen allgemeinen Verfall von Kultur und Bildung mit sich; in der Spätantike gingen außerdem große Teile der antiken Literatur verloren. In Westeuropa nahm insbesondere die Zahl derjenigen, die noch der griechischen Sprache mächtig waren, stark ab.

Diese „Dunklen Jahrhunderte“ stehen aber keineswegs für das gesamte Mittelalter. Boethius übersetzte im 6. Jahrhundert einige logische Schriften des Aristoteles, kommentierte sie und verfasste zahlreiche wissenschaftliche Lehrbücher; auch andere Autor*innen an der Grenze von Spätantike und Frühmittelalter wie Cassiodor oder Isidor von Sevilla bemühten sich darum, das Wissen der Antike zu sammeln und systematisch darzustellen. Von dem, was an antiker Fachliteratur nicht überliefert oder im lateinischen Mittelalter zunächst nicht rezipiert wurde, blieb also zumindest die Quintessenz erhalten.

Mit der Expansion des Frankenreichs unter Karl dem Großen und seinen daraus resultierenden Bestrebungen nach einer einheitlichen Verkehrssprache kamen wieder verstärkte Bemühungen um das antike Erbe auf: Antike Literatur wurde verstärkt gesammelt und rezipiert; der antike Bildungskanon der sieben freien Künste wurde als wesentliche Studiengrundlage neu etabliert und blieb sie auch für das gesamte Mittelalter. Solche Erneuerungsbewegungen gibt es auch in den späteren Jahrhunderten; besonders zu nennen wäre etwa das 12. Jahrhundert, als die aristotelische Philosophie durch die Wiederentdeckung zahlreicher Schriften und Übersetzungen aus dem Griechischen und Arabischen in Westeuropa einen neuen Aufschwung erlebte.

Ganz grundsätzlich sollte man außerdem nicht vergessen, dass uns fast alles, was an antiker Literatur bis heute erhalten ist, nur in mittelalterlichen Handschriften vorliegt und sich der äußerst regen Kopistentätigkeit in klösterlichen Skriptorien verdankt.

Ganz im Gegenteil - die Kirche ist die Institution im Mittelalter, die hauptsächlich für Erhalt, Vermittlung und Vermehrung von Wissen sorgte. Karl der Große rekrutierte die Gelehrten seiner Hofschule, die maßgeblich zur Erneuerung des antiken Wissens im 8. und 9. Jahrhundert beitrugen, hauptsächlich aus dem klerikalen Milieu. Die Kloster- und Domschulen, aus denen sich ab dem 11. Jh. die Universitäten entwickelten, waren lange die einzigen Anbieter für Unterricht überhaupt; von der Buchproduktion, die fast ausschließlich von den Klöstern ausging, war oben bereits die Rede.

Die christliche Theologie hatte bereits seit der Zeit der Kirchenväter viele Elemente der antiken Philosophie übernommen und tat es auch weiterhin; der Ansatz, dogmatische Grundsätze mit den Mitteln des Verstandes und der Logik zu durchdringen, zieht sich durch das gesamte Mittelalter und gipfelt in der durch die Neuentdeckung des Aristoteles gestärkten Scholastik.

Des weiteren begreift das Christentum das Universum als etwas nach einer bestimmten Ordnung Geschaffenes. Die Erforschung dieser Ordnung in den Naturwissenschaften mit ihren empirischen Methoden ist dem christlich geprägten Mittelalter deshalb nicht fremd und hat gleichfalls mit dem aufstrebenden Aristotelismus noch einmal einen besonderen Auftrieb erfahren. Auch die Medizin wurde insbesondere in den Klöstern eifrig kultiviert – die Pflege der Kranken war schließlich ein besonderes Gebot der christlichen Nächstenliebe.

Die Hexenverfolgung, die heutzutage für viele den Inbegriff mittelalterlicher Ignoranz und kirchlicher Unterdrückung darstellt, erreichte ihren unrühmlichen Höhepunkt übrigens gegen Ende des 16. Jahrhunderts und ist damit ein Produkt der Neuzeit.

Die lateinische Sprache entwickelte sich neben den Volkssprachen im Mittelalter weiter und passte sich den neu entstehenden Bedürfnissen an. Dadurch, dass Latein für die Schriftsteller des Mittelalters grundsätzlich eine Zweitsprache war, erfuhr sie zum Teil viele Vereinfachungen und stilistische Abweichungen gegenüber dem klassischen Latein. Solche Veränderungen gibt es allerdings bereits in der Antike. Und selbst dann, wenn man den klassischen Stil zum einzig wahren Ideal erhebt, wird man auch im Mittelalter fündig, da es insbesondere in der Dichtung auch stets Tendenzen gibt, sich besonders stark den antiken Vorbildern anzupassen. Das gesamte mittellateinische Sprachmaterial in seiner Vielfalt pauschal als minderwertig abzustempeln, ist also ziemlich fragwürdig.

Dasselbe gilt für die Literatur. Auch dort finden sich neue Gattungen, die von einem hohen Maß an schöpferischer Phantasie und Originalität zeugen (wie z.B. in der Lyrik, wo die akzentuierende Metrik neben die quantitierende tritt und nachgerade zu einer Explosion von Strophenformen und Reimschemata führt), neben Imitationen und Modifikationen antiker Dichtung, die trotz ihrer säkularen oder paganen Inhalte eifrig gelesen und zum Teil (wie z.B. die Aeneis Vergils) als Grundlage im Lateinunterricht verwendet wurde: Ein ausufernder paganer Götterapparat stand dem christlichen Leser nicht im Weg; er bekam gemäß der gängigen Interpretationsmethoden stattdessen im Licht der Allegorese einen neuen Sinn, sodass ein gründliches Studium einerseits und die dichterische Nachahmung andererseits gefördert und angeregt wurden.