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Mittellateinische Philologie als Nebenfach (Modulangebot)

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Buchgeschichte und Paläographie

1. Teilaufgabe: Die Herstellung eines Codex

Ungefähr im 4. Jh. n. Chr. löste der Codex die Buchrolle als hauptsächlich verwendete Buchform endgültig ab – er war zwar aufwendiger und teurer in der Herstellung, aber handlicher im Gebrauch und außerdem deutlich länger haltbar als die durch Auf- und Zurollen strapazierten Papyrusrollen. Die Buchherstellung und die Abschreibetätigkeit oblag in der Regel den klösterlichen Skriptorien. Ihnen verdankt sich nicht nur die Vervielfältigung zeitgenössischer Werke, sondern auch die Überlieferung der meisten uns bekannten antiken Texte.

Das Bamberger Schreiberbild

Das sogenannte „Bamberger Schreiberbild“ findet sich im Codex Msc.Patr.5 der Staatsbibliothek Bamberg, der mehrere Werke des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand und ein Edikt des Kaisers Heinrich IV. enthält. Die Handschrift wurde in der Mitte des 12. Jh. im Bamberger Benediktinerkloster Michelsberg abgefasst, das in der Mitte des Bildes – unter dem Schutz seines Patrons, des Erzengels Michael – zu sehen ist. Die Vignetten am rechten und linken Rand zeigen allesamt verschiedene Arbeitsschritte bei der Herstellung eines Codex; die beiden Vignetten oben und unten in der Mitte zeigen vermutlich den Gebrauch des Buches einerseits zum Selbststudium, andererseits zum Lehren.

Ordnen Sie den Vignetten auf dem Bild die jeweils dargestellten Arbeitsschritte der Buchherstellung zu!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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1.

Bindung des Codex

Die fertigen Lagen werden in der Buchbinderlade zum Buchblock zusammengebunden und anschließend an den Deckeln befestigt.

2.

Illumination

Verzierungen wie Initialen oder andere Miniaturen werden nach dem Beschreiben von einem Illuminator eingefügt. Der Illuminator hat seine Tätigkeit im Bild noch in besonderer Weise hervorgehoben: Er ist nicht in einer Vignette zu sehen, sondern scheint sich beim Ausmalen der vorliegenden Zeichnung selbst verewigt zu haben - ähnlich wie der Illustrator in der Initiale oben rechts auf dieser Seite.

3.

Konzipierung des Buches

Auf einer Wachstafel notiert sich der Mönch im Bild das Konzept für das Buch: Wieviel Pergament ist nötig? Wieviele Lagen zu wieviel Bögen soll das Buch enthalten?

4.

Anspitzen der Schreibfeder

Geschrieben wird mit Gänsefedern, die allenthalben mit einem Federmesser neu angespitzt werden müssen.

5.

Falzung der Bögen, Herstellung der Lagen

Die Bögen werden gefalzt und zu den einzelnen Lagen zusammengelegt.

6.

Zuschnitt und Linierung der Bögen

Das Pergament wird auf das gewünschte Format zugeschnitten und ein- oder mehrfach gefaltet. Der Schriftspiegel und die Lineatur werden hier mit dem Federmesser eingeritzt.

7.

Herstellung der Beschläge

An den Buchdeckeln wurden zumeist Beschläge aus Metall angebracht, die, da die Bücher i.d.R. liegend aufbewahrt wurden, dem Schutz der Buchdeckel dienen sollten. Auch Schließen aus Metall oder Ösen zur Anbringung von Ketten kann man häufig antreffen.

8.

Herstellung des Pergaments

Um Pergament herzustellen, wird Tierhaut zuerst in einer Kalklösung eingeweicht und anschließend zum Trocknen auf einen Holzrahmen gespannt. Dabei werden Haar- und Fleischreste mit einem halbmondförmigen Messer, dem lunarium oder lunellum, abgeschabt, das auf dem Bild gut zu sehen ist.

9.

Herstellung der Buchdeckel

Die Buchdeckel bestanden i.d.R. aus Holz, das im Bild mit einer kleinen Axt in Form gebracht wird und noch mit Leder überzogen und anderweitig verziert werden konnte. Das verwendete Material und die Beschaffenheit der Ornamente geben oft wichtige Hinweise zur Herkunft und Datierung des Codex.

Sie erhalten ein Feedback zu den einzelnen Antworten, indem Sie auf das klicken.

2. Teilaufgabe: Lateinische Paläographie

Große Teile der erhaltenen mittelalterlichen Literatur sind uns noch nicht durch moderne Editionen zugänglich, sodass wir für ihre Erschließung auf die handschriftliche Überlieferung angewiesen sind. Paläographische Grundkenntnisse sind daher für mittellateinische Philologen unerlässlich.

Jetzt können Sie einen Blick in den Text werfen, der dem Schreiberbild folgt! Der vorliegende Abschnitt stammt aus dem Werk De officiis ministrorum des Ambrosius (4. Jh. n. Chr.), das in enger Anlehnung an Ciceros Schrift De officiis die christliche Tugendlehre behandelt. Im Abschnitt über die Kardinaltugend der Gerechtigkeit schreibt Ambrosius unter anderem über verschiedene Arten, wie man mit erlittenem Unrecht umgehen kann, und bewertet sie am Maßstab des christlichen Ideals.

Versuchen Sie, den abgebildeten Abschnitt zu transkribieren! Vergleichen Sie mehrfach vorkommende Abkürzungen in ihrem Kontext miteinander und mit den bereits transkribierten Wörtern im Lückentext! Versuchen Sie, sinnerfassend zu lesen und sich in Zweifelsfällen für die inhaltlich passendste Variante zu entscheiden!


Ausschnitt aus Opera varia mit sog. Bamberger Schreiberbild
Quelle: Staatsbibliothek Bamberg — Msc. Patr. 5, f. 36v
Si
sim, benedico maledicentem,
benedicebat et Paulus qui ait: , et . Audierat enim dicentem: diligite inimicos
, orate pro calumniantibus et vos. Ideo
Paulus persecutionem patiebatur et sustinebat,
vincebat et mitigabat humanum affectum
mercedis gratia, ut filius
fieret, si dilexisset inimicum.

Die richtig vervollständigte Transkription lautet:

Si vero perfectus sim, benedico maledicentem, sicut benedicebat et Paulus qui ait: maledicimur, et benedicimus. Audierat enim dicentem: diligite inimicos vestros, orate pro calumniantibus et persequentibus vos. Ideo ergo Paulus persecutionem patiebatur et sustinebat, quia vincebat et mitigabat humanum affectum propositae mercedis gratia, ut filius dei fieret, si dilexisset inimicum.

Eine Reihe der wichtigsten Abkürzungen können Sie sich am Beispieltext bereits erschließen, z.B.:

  • einfacher Strich: ersetzt einen Nasal (m oder n) oder deutet stark abgekürzte, oft verwendete Wörter an
  • kleine 9: -us
  • p mit Strich: per; mit Schlaufe: pro

Der Text lautet übersetzt: „Wenn ich aber vollkommen bin, dann segne ich den, der mich verflucht, so wie ihn auch Paulus gesegnet hätte, der gesagt hat: “Wir werden veflucht und wir segnen.” Denn er hat auf den gehört, der sprach: „Liebt eure Feinde; betet für die, die euch schmähen und verfolgen.“ Deshalb hat also Paulus die Verfolgung erlitten und auf sich genommen, weil er seine menschlichen Leidenschaften besiegt und gemildert hat um des ihm in Aussicht gestellten Lohns willen, nämlich dass er ein Kind Gottes würde, wenn er seinen Feind liebe.“ (aus Ambr. off. I, 48)