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Mittellateinische Philologie als Nebenfach (Modulangebot)

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Dr. Bertram Lesser, Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)

Stellen Sie Ihren Beruf kurz vor: Wie sieht Ihr Berufsalltag aus (typische Tätigkeiten, Arbeitszeiten etc.)?

Wie die meisten wissenschaftlichen Handschriftenbearbeiter in Deutschland bin ich im Rahmen eines DFG-Projektes beschäftigt, das in meinem Falle den Titel "Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek" trägt. Meine Aufgabe besteht darin, die insgesamt 1017 mittelalterlichen Buchhandschriften, die zu dieser Gruppe gehören, nach den landesweit gültigen bibliothekarischen Richtlinien zu erschließen. Das bedeutet vor allem, die oft sehr komplexen Inhalte der Codices korrekt zu bestimmen, wobei nicht nur Bekanntes auftaucht, sondern auch recht häufig bislang unbekannte Texte zum Vorschein kommen. Außerdem müssen die Handschriften datiert und lokalisiert werden, häufig nach paläographischen, kunsthistorischen oder kodikologischen Kriterien. Die Beschreibungen werden zunächst online veröffentlicht, aber auch zusätzlich konventionell in einem gedruckten Handschriftenkatalog. All dies setzt eine Vielzahl von Kompetenzen voraus, zum Beispiel Grundkenntnisse in diversen Fachrichtungen (das Spektrum reicht von literarischen und historischen Texten und vielfältigen Theologica über Kirchen- und Zivilrecht bis zu Medizin und Alchemie) oder landeshistorische und bibliotheksgeschichtliche Fragestellungen – sich in kurzer Zeit in derartige Dinge einzuarbeiten macht eine der Schwierigkeiten, aber auch den Reiz dieser Tätigkeit aus.

Trotz eines umfangreichen und genau abgesteckten Arbeitsprogrammes und der festen Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst (ca. 41 Stunden/Woche) bleibt aber noch Zeit für andere Forschungen, die Teilnahme an Tagungen – die Handschriftenbearbeiter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz treffen sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch – oder für die Lehre, der ich auch an der FU Berlin nachkomme.

Warum haben Sie sich seinerzeit für dieses Studium der Mittellateinischen Philologie entschieden?

Hier kamen mehrere Faktoren zusammen: Das schon in der Schulzeit entwickelte Interesse an der Sprache und den sich darin ausdrückenden Literaturen und Diskursen führte mich zwar fast automatisch zum Studium der Lateinischen Philologie, aber nicht unbedingt zu den klassischen Texten, die mir allzu gut erschlossen schienen, während im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit noch viel unbekanntes oder kaum bearbeitetes Material zu entdecken bleibt. Außerdem schien mir die Mittellateinische Philologie eine essentielle Kern- und Brückendisziplin für meine übrigen mediävistischen Studienfächer (Mittelalterliche Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte) – eine Sichtweise, die sich bis heute immer wieder bestätigt hat.

Wann haben Sie sich für Ihren aktuellen Beruf entschieden und haben sich Ihre Erwartungen daran, ggf. aus Ihrer Zeit als Student erfüllt?

Die Entscheidung für diesen Beruf geschah in meinem Falle nicht bewusst und eher ad hoc – durch eine erfolgreiche Bewerbung auf die ausgeschriebene Stelle, die ich zunächst noch keineswegs als dauerhafte Perspektive betrachtet hatte. Erst im Laufe meiner Tätigkeit erkannte ich, dass die Beschäftigung mit mittelalterlichen Handschriften all das beinhaltet, was ich schon immer machen wollte und was mich am Mittelalter auch immer interessiert hatte , denn fast nirgends ist der Zugang zum Denken des Mittelalters so unmittelbar und unvermittelt gegeben wir im alten Buch. Da ich während des Studiums diese Berufsperspektive noch keineswegs im Blick hatte, bin ich an diese Tätigkeit ohne irgendwelche hochgestellten Erwartungen herangetreten.

Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, das Sie während des Studiums für Ihren aktuellen Beruf gelernt haben?

Von den Veranstaltungen, die ich in allen vier Fächern, insbesondere aber in der Mittellateinische Philologie absolviert habe, waren rückblickend jene am fruchtbarsten für meine Tätigkeit, welche die Lektüre und Interpretation von Texten zum Gegenstand hatten. Hinzu kamen die Kurse zur Paläographie, Kodikologie und Editorik, deren Nutzen für die Handschriftenkatalogisierung sich unmittelbar ergibt.

Welche Zusatzqualifikationen sollte man schon während des Studiums erwerben, die für Ihren jetzigen Beruf nützlich oder essentiell sind?

Wer sein Berufsleben der Erforschung und Erschließung mittelalterlicher Handschriften widmen möchte – was angesichts der zahlreichen noch zu beschreibenden Bestände in Deutschland ein lohnendes Berufsziel ist, zumal die Handschriftenzentren in Berlin, Leipzig, München, Stuttgart, Frankfurt und Wolfenbüttel immer wieder Projekte dazu anbieten – sollte natürlich versuchen, neben einem möglichst umfassenden Wissen über die Literatur des Mittelalters erste eigene Erfahrungen mit Handschriften zu sammeln. Kurse in Paläographie und Kodikologie sind hier ebenso wichtig du grundlegend wie studienbegleitende Praktika an den genannten Bibliotheken, die im Regelfall gern über derartige Möglichkeiten informieren.

Gibt es etwas im Studium, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Neben den Vorlesungen, die einen guten Überblick über größere Bereiche geboten haben, sind mir besonders die thematisch spezielleren Hauptseminare in Erinnerung geblieben, die es mir erlaubten, die mich interessierenden Themen selbständig zu vertiefen und mich an die Arbeit mit Originalen und die Auswertung der Forschungsliteratur herangeführt haben. Selbst wenn man als Handschriftenbearbeiter nur mit der elementaren Katalogisierung beschäftigt ist, ohne deren Ergebnisse in größeren Zusammenhängen als Teil eigener Forschung zu präsentieren, waren und sind für mich diese Tätigkeiten stets von elementarer Bedeutung und daher besonders im Gedächtnis verankert.

Welchen Rat würden Sie Studienanfänger*innen geben, die später ebenfalls Ihren Beruf ausüben möchten?

Neben der je nach Studienordnung möglichst frühzeitigen Konzentration auf die grundlegenden Fähigkeiten in Paläographie und Kodikologie ist es auf jeden Fall wichtig, wenn irgend möglich über die Grenzen des Studiengangs hinaus Veranstaltungen von Nachbardisziplinen (andere Philologien, Geschichte, Kunstgeschichte o. ä.) zu besuchen. Vieles andere, was die Handschriftenbearbeitung betrifft, kann jedoch kaum allein durch das Studium, sondern erst durch fortgesetzte Praxis erworben werden – es ist noch kein „fertiger“ Handschriftenforscher unmittelbar von der Universität abgegangen! Erfahrung und vor allem das Studium möglichst vieler Originalzeugen (Bibliotheksreisen und Praktika bieten dazu Gelegenheit, meist jedoch erst in fortgeschrittenen Studienabschnitten) erfordern Zeit und Geduld, vor allem aber gesunde Neugier auf das Unbekannte, die auch der Anfänger mitbringen und entwickeln kann und die er sich unbedingt bewahren sollte. Selbst in einem scheinbar langweiligen und unansehnlichen Codex kann bisher Unentdecktes und Interessantes verborgen sein – man muss ihm nur unermüdlich die richtigen Fragen stellen!