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Philosophie (B.A.)

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Dilemmata als didaktische Mittel im Ethikunterricht

Philosophie ist an der FU auch mit Option auf das Lehramt in den Schulfächern Ethik und Philosophie studierbar und trägt dann den Namen "Philosophie/Ethik". Die lehramtsspezifischen Studienanteile werden jenseits des Philosophiestudiums im Studienbereich der Lehramtsbezogenen Berufswissenschaften (LBW) absolviert. Hierzu gehört auch die Fachdidaktik der Ethik und Philosophie, die sich damit befasst, was Schulunterricht in Ethik und Philosophie leisten soll und wie er gelingen kann. Im Berliner Rahmenlehrplan für das Schulfach Ethik heißt es:

„Die Lernenden machen sich zunehmend vertraut mit den Grundlagen für ein gewaltfreies und unvoreingenommenes Zusammenleben und Zusammenarbeiten in einer demokratischen Gesellschaft […]. Eigene und gesellschaftliche Perspektiven werden von ihnen zunehmend sachgerecht eingeschätzt.“

Für die Umsetzung solcher Kompetenzvorgaben spielen in der Fachdidaktik unter Anderem Dilemma-Übungen eine wichtige Rolle.

Heinz-Dilemma

"In einem fernen Land lag eine Frau, die an einer besonderen Krebsart erkrankt war, im Sterben. Es gab eine Medizin, von der die Ärzte glaubten, sie könne die Frau retten. Es handelte sich um eine besondere Form von Radium, die ein Apotheker in der gleichen Stadt erst kürzlich entdeckt hatte. Die Herstellung war teuer, doch der Apotheker verlangte zehnmal mehr dafür, als ihn die Produktion gekostet hatte. Er hatte 200 Dollar für das Radium bezahlt und verlangte 2000 Dollar für eine kleine Dosis des Medikaments.

Heinz, der Ehemann der kranken Frau, suchte alle seine Bekannten auf, um sich das Geld auszuleihen, und er bemühte sich auch um eine Unterstützung durch die Behörden. Doch er bekam nur 1000 Dollar zusammen, also die Hälfte des verlangten Preises. Er erzählte dem Apotheker, dass seine Frau im Sterben lag, und bat, ihm die Medizin billiger zu verkaufen bzw. ihn den Rest später bezahlen zu lassen. Doch der Apotheker sagte: »Nein, ich habe das Mittel entdeckt, und ich will damit viel Geld verdienen.« - Heinz hat nun alle legalen Möglichkeiten erschöpft; er ist ganz verzweifelt und überlegt, ob er in die Apotheke einbrechen und das Medikament für seine Frau stehlen soll."1

1Kohlberg, Lawrence, Die Psychologie der Moralentwicklung. Hg. von Wolfgang Althof, 1. Aufl., Frankfurt a.M. 1995 (Beiträge zur Soziogenese der Handlungsfähigkeit), S. 495.

Sollte Heinz das Medikament stehlen? - Warum sollte er es oder warum nicht? Beurteile bitte die getroffenen Entscheidungen in den nachfolgend aufgelisteten Antworten.
richtig
falsch

Nein.

Einbruch und Diebstahl sind durch den Gesetzgeber untersagt. Somit ziehen sie strafgesetzlich äußerst empfindliche Sanktionen nach sich.

Ja.

Der Apotheker trägt ganz und gar selbst die Schuld an Heinz' Diebstahl, wenn er unbezahlbare Wucherpreise für seine lebensrettenden Medikamente ansetzt.

Ja.

In den Augen der allermeisten Mitmenschen würde Heinz ganz sicher als feiges Scheusal zu verurteilen sein, würde er sich an dieser Stelle nicht für das Überleben seiner eigenen Ehefrau über das Gesetz hinwegsetzen.

Nein.

Die Nichteinhaltung unserer gesetzten Regeln im Allgemeinen untergräbt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und bedroht somit insgesamt das Projekt des friedlichen Zusammenlebens.

Nein.

Zum Nutzen einer funktionierenden, langfristig friedlichen Gesellschaft ist speziell das Recht auf Schutz des Eigentums unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Vertragswerks. Eigenmächtige Ausnahmen sind daher - auch bei vollstem Verständnis für Heinz‘ verzweifelte Not - inakzeptabel.

Ja.

Seine Frau im Sinne ihrer Menschenwürde, die ihr als autonomem Vernunftwesen zukommt, konsequent als Zweck an sich selbst zu verstehen, kann nicht zur Folge haben, sie zugunsten des Schutzes von jemandes privatem Eigentum sterben zu lassen. Er sollte also das lebensrettende Medikament für sie stehlen.

So oder in abgewandelter Form ließe sich dieses Dilemma in eine Ethik-Unterrichtsreihe einbauen - allerdings mit offenem Aufgabenformat.

Der Clou an moralischen Dilemmata ist, dass stets zwei weitgehend akzeptierte Normen oder Werte miteinander im Konflikt liegen. Zwischen ihnen lässt sich daher keine allgemein gerechtfertigte Entscheidung treffen. Somit entziehen sich die getroffenen Entscheidungen auch einer allgemeingültigen Beurteilung im Sinne von "richtig" oder "falsch". Die Abwägungslösungen stellen besondere Herausforderungen dar, welche stets individuell zu leisten und zu verantworten sind. Insofern dienen Dilemma-Situationen vor allem dazu, das Argumentations- und Reflexionsniveau im Hinblick auf ethische Problemlagen zu schulen.

Nach dem kognitiv-entwicklungstheoretischen Ansatz zu Moralstufen und Moralerwerb bei Lawrence Kohlberg gibt es verschiedene Entwicklungsstufen moralischer Abwägung und Argumentation: von der präkonventionellen Ebene (1), auf der sich an den Konsequenzen von Handlungen für das eigene Wohl orientiert wird, über die konventionelle Ebene (2), die in der Orientierung an den moralischen Erwartungen Anderer besteht, bis hin zur postkonventionellen Ebene (3), auf der Aspekte von Gesellschaftsverträgen oder universale ethische Prinzipien erwogen werden. Der Ethikunterricht an Schulen kann unter Anderem als ein Beitrag dazu verstanden werden, die moralische Urteilskompetenz von Schüler/innen auf den Kohlbergschen Entwicklungsstufen möglichst weit voranzubringen.

Literatur:

Bergling, Kurt, Moral Development. The Validity of Kohlberg's Theory, Stockholm 1981 (Stockholm studies in educational psychology; 23).

Bienengräber, Thomas, Vom Egozentrismus zum Universalismus. Entwicklungsbedingungen moralischer Urteilskompetenz, 1. Aufl., Wiesbaden 2002.

Des Jardins, Joseph Robert, A Philosophical Analysis of Lawrence Kohlberg's Theory of Moral Development, Notre Dame1980.

Kohlberg, Lawrence, Die Psychologie der Moralentwicklung. Hg. von Wolfgang Althof, Frankfurt a.M. 1995 (Beiträge zur Soziogenese der Handlungsfähigkeit).

Ders., Zur kognitiven Entwicklung des Kindes. Drei Aufsätze, 1. Aufl., Frankfurt a.M. 1974.